TK: Herr Prof. Dr. Görich, Herr Prof. Dr. Buß, TK-Versicherte in Baden-Württemberg können seit diesem Jahr spezielle Untersuchungen am Herzen bei Ihnen vornehmen lassen. Für welche Patientinnen und Patienten kommt das Angebot in Frage und wie ist der Ablauf?

Prof. Dr. Sebastian Buß: Das Angebot kommt für alle Patientinnen und Patienten in Frage, bei denen die behandelnde Ärztin bzw. Arzt eine koronare Herzerkrankung oder eine Herzmuskelerkrankung vermutet, und daher eine weitere Abklärung erforderlich ist. Früher wurde bei Verdacht auf eine koronare Herzerkrankung häufig eine diagnostische Herzkatheteruntersuchung gemacht. Dabei wird mittels eines kleinen Schlauchs Kontrastmittel direkt in die Herzkranzgefäße injiziert und gleichzeitig eine Röntgenaufnahme gemacht, um Engstellen erkennen zu können.

Heutzutage kann stattdessen in den meisten Fällen eine Kardio-CT durchgeführt werden, bei der nicht nur die Herzkranzgefäße, sondern auch die Zusammensetzung von eventuell vorhandenen Ablagerungen untersucht werden können. 

Prof. Dr. Sebas­tian Buß

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Kardiologe im MVZ-DRZ Heidelberg


Eine Kardio-MRT macht sichtbar, ob eine Engstelle der Herzkranzgefäße überhaupt zu einer Minderdurchblutung führt, die mittels einer Stentimplantation oder Bypassoperation behandelt werden muss. Außerdem können Struktur und Funktion des Herzmuskels detailliert untersucht werden, um beispielsweise eine Herzmuskelentzündung festzustellen.

Der Ablauf ist einfach. Sofern TK-Versicherte die Bedingungen des Vertrages* erfüllen, und eine behandelnde Kardiologin oder ein Kardiologe eine weitere Abklärung für notwendig erachtet, können die bisherigen Untersuchungsergebnisse an uns übermittelt werden. Wir überprüfen dann die Unterlagen und koordinieren einen zeitnahen Termin für die geeignete diagnostische Methode.  

TK: Worin liegen die Vorteile der Kardio-CT gegenüber den bisherigen Methoden?

Prof. Dr. Johannes Görich: Die Kardio-CT ist die einzige nicht-invasive Methode, mit der eine koronare Herzerkrankung sicher nachgewiesen oder ausgeschlossen werden kann. Sie erlaubt bereits die Diagnostik in frühen Stadien bevor Engstellen zu einer Minderdurchblutung führen, so dass frühzeitig mit einer medikamentösen Therapie begonnen werden kann.

In der SCOT-HEART-Studie hat sich gezeigt, dass bei Patientinnen und Patienten, die mittels Kardio-CT untersucht wurden, nach fünf Jahren deutlich weniger Herzinfarkte auftraten als in der Vergleichsgruppe, die eine Standardbehandlung erhielt - und das ohne die Anzahl der Herzkatheteruntersuchungen zu erhöhen! Deswegen ist in Großbritannien die Kardio-CT die Methode der Wahl und auch in den europäischen Leitlinien wird sie als initiales bildgebendes Verfahren empfohlen. Wir sind froh darüber, diese Methode auch Patientinnen und Patienten in Deutschland anbieten zu können. 

Für diese ist die Kardio-CT deutlich weniger belastend und risikoärmer als eine Herzkatheteruntersuchung. Sie dauert nur wenige Minuten und nach einer Nachbeobachtungszeit von rund einer halben Stunde kann die Patientin oder der Patient nach der Besprechung des Befundes die Praxis wieder verlassen. 

Prof. Dr. Johannes Görich

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Radiologe im MVZ-DRZ Heidelberg


Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass wir nicht nur Engstellen erkennen und ausmessen können, sondern auch Informationen über die Zusammensetzung der Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen erhalten. Das ist von Bedeutung, da man inzwischen weiß, dass nicht nur das Ausmaß der Verengung, sondern auch deren Beschaffenheit prognostische Bedeutung hat. Wir können also die Patienten identifizieren, die ein erhöhtes Herzinfarktrisiko haben und deswegen engmaschiger betreut werden sollten. Außerdem kann die Erkrankung gegebenenfalls nach einigen Jahren nicht-invasiv im CT kontrolliert und die kardiologische Behandlung entsprechend angepasst werden. 

Bei modernen CT-Geräten, wie sie bei uns zum Einsatz kommen, können auch Patientinnen und Patienten untersucht werden, bei denen dies vor einigen Jahren beispielsweise auf Grund von Herzrhythmusstörungen nicht möglich gewesen wäre. Zudem kann die Strahlenexposition deutlich verringert werden.

TK: Und wann ist die Kardio-MRT die Diagnostik-Methode der Wahl?

Prof. Görich: Mittels der Kardio-MRT können nicht nur Struktur und Aufbau des Herzmuskels untersucht, sondern auch die Herzgröße und -funktion genau bestimmt werden. Somit können Herzmuskelerkrankungen früh erkannt und deren Schwere beurteilt werden. In manchen Fällen werden dadurch Herzmuskelbiopsien ersetzt und in anderen Fällen Diagnosen gestellt, die mit anderen Verfahren nur sehr schwierig erhoben werden können.

Mittels sogenannter Stressuntersuchungen kann strahlungsfrei festgestellt werden, ob die oder der Untersuchte Engstellen an Herzkranzgefäßen hat, die zu einer Minderdurchblutung führen, oder bereits einen Herzinfarkt hatte. Dabei werden anders als in der Kardio-CT nicht die Herzkranzgefäße dargestellt, sondern die Herzdurchblutung untersucht. Daher eignet sich das Verfahren beispielsweise für Patientinnen und Patienten, die Engstellen an den Herzkranzgefäßen haben, bei denen jedoch nicht klar ist, ob diese auch mit einer Stentimplantation oder Bypassoperation versorgt werden müssen oder eine rein medikamentöse Therapie ausreichend ist.

TK: Wann hat die Herzkatheter-Untersuchung nach wie vor ihre Berechtigung?

Prof. Buß: Die Herzkatheteruntersuchung kommt dann zum Einsatz, wenn beispielsweise mittels Kardio-CT oder Kardio-MRT Engstellen nachgewiesen wurden, die eine Stentimplantation erforderlich machen. Dabei wird mittels eines kleinen Ballons die Engstelle aufgedehnt und ein Stent, eine Gefäßstütze, implantiert. Unverzichtbar ist die Herzkatheteruntersuchung im Notfall wie dem Herzinfarkt sowie für sogenannte hämodynamische Messungen, wie sie beispielsweise bei Lungenhochdruckerkrankungen erforderlich sein können. Die initiale Diagnostik einer koronaren Herzerkrankung soll, von wenigen Ausnahmen abgesehen, mittels nicht-invasiver bildgebender Verfahren wie der Kardio-CT erfolgen. Die Herzkatheteruntersuchung ist also kein Widerspruch zu bildgebenden Verfahren, sondern baut auf diesen auf.

TK: Auch ein MRT wird von manchen Patientinnen und Patienten als invasiv empfunden - wie nehmen Sie ihnen die Angst?

Prof. Görich: Erstaunlicherweise ist die Abbruchrate durch Platzangst bei Herzpatientinnen und -patienten eher geringer als bei anderen Untersuchungen, was wahrscheinlich auf die intensive Betreuung im Vorfeld der Untersuchung zurückzuführen ist. Meistens genügt ein erklärendes und beruhigendes Gespräch mit unseren Kardiologen, in welchem der Untersuchungsablauf erläutert wird, um etwaige Ängste zu nehmen. Bei Bedarf kann aber zusätzlich eine angstlösende Medikation gegeben werden. Auch ist unser Gerät ein Modell mit einer sehr großen Öffnung.

TK: Gerade im Bereich der Radiologie werden große Hoffnungen in die Künstliche Intelligenz (KI) gesetzt - wie ist Ihre Einschätzung bzw. wird sie in Ihrer Praxis bereits genutzt?

Prof. Buß: Das ist ein ganz großes Thema. Wir alle hoffen, dass in naher Zukunft die KI die Befundung erleichtert, deren Genauigkeit weiter erhöht und dabei hilft, Fehler zu vermeiden. Unsere Praxis ist diesbezüglich sehr gut aufgestellt: Das Kardiologenteam (Dr. André, Prof. Buß, Dr. Fortner) hat in Zusammenarbeit mit Dr. Seitz (Leiter der IT) ein automatisiertes Datenerfassungssystem entwickelt, das in der Kardiodiagnostik (CT und MRT) schon eingesetzt wird. 

Im Rahmen eines Kooperationsvertrages mit der Firma Siemens wurde anhand unserer anonymisierten Datensätze innerhalb der letzten zwei Jahre eine KI-gestützte Analyse der Herzkranzgefäße entwickelt, die schon eine sehr gute Zuverlässigkeit besitzt.

Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren weite Bereiche der Analyse der Herzkranzgefäße mit KI-Unterstützung erfolgen werden und sich daher die Diagnostik grundlegend wandelt. Darum ist es uns wichtig, bereits jetzt an dieser Entwicklung mitzuwirken und diese zu gestalten.

*Hier gibt es weitere Informationen zur  Kardio-CT/Kardio-MRT in Heidelberg , Tübingen und Südbaden  sowie Details zu den Teilnahmebedingungen.